top of page

1 Der Magier im Tarot und die Deutung seiner Symbole

© Anna Rathkolb


Was bedeutet der Magier im Tarot? Wollen wir mehr über seine Bedeutung erfahren, müssen wir uns zunächst die Symbole auf der Tarotkarte ansehen. Allerdings ist das leichter gesagt als getan, denn es gibt ja nicht nur ein Tarot sondern viele Tarotdecks mit vielen unterschiedlichen Darstellungen des Magiers. Aus diesem Grund beschränke ich mich hier auf das bekannte Rider Waite Smith Tarot, weil es derzeit zu den beliebtesten Decks im deutschsprachigen Raum zählt.


In diesem Artikel erfährst du, worauf es bei der Deutung des Arkanums ankommt, wie du bei der Betrachtung des Bildes vorgehst und was Symbole über den Bildinhalt aussagen.   


1 Der Magier im Raider Waite Smith Tarot
1 Der Magier im Raider Waite Smith Tarot

Inhaltsübersicht


Voraussetzungen

Drei Annahmen oder Axiome

Die Methodik: Das hermetische Prinzip der Analogie


Symbole und ihre Bedeutung


Literatur



 

Die Voraussetzungen


Drei Annahmen oder Axiome

Die Methodik



Symbole und ihre Bedeutung


Die Zahl


Der Magier trägt die Zahl 1. Die Zahl 1 kommt aus dem Zahllosen (Steiner-Geringer, 1985). Die Zahl 1 ist in allen Zahlen enthalten und stellt die Einheit im Vielen dar (Banzhaf, 1998). Die Zahl 1 ist der Beginn der Handlung oder der Urgrund (Silvestre-Haeberle, 1990). Bei der aufrechten [römischen] Schreibweise der Eins werden Himmel und Erde miteinander verbunden. Es ist ein Zeichen des Bewusstseins des Menschen (Rodik, 2001).


Weiterführende Gedanken


Was bedeutet Bewusstsein? Verstehen, Einbilden, Wollen, Fühlen, Zweifeln – all das und noch viel mehr lässt sich unter dem Begriff des Bewusstseins fassen. Es handelt sich dabei um verschiedene Formen des Erlebens und der Aufmerksamkeit, die zusammengefasst das Bewusstsein bilden. (Prechtl, 2008)


Im Bild des Magiers begegnen wir der inneren, unsichtbaren Welt (Gefühle, Gedanken, Wille, Absicht) und der äußeren, sichtbaren Welt (Blumen, Gegenstände am Tisch, Kleidung), aber auch der Ebene, wo alle Fäden zusammenlaufen: der Ebene des Bewusstseins. Innere und äußere Vielheit drängt ins Bewusstsein des Magiers, sodass im Akt der Bewusstwerdung, eine einheitsstiftende Ebene verortet werden kann. Bewusstsein ist immer Bewusstsein von etwas und ist stets auf etwas gerichtet. Auch ist Bewusstsein an eine Person, an ein Ich gebunden. Um René Descartes zu paraphrasieren: „Ich bin es der denkt. Und weil ich es bin, der denkt, kann ich daraus schließen, dass ich existiere.“


In unserem senkrechten Weltbild steht die Zahl 1 für Aktivität (Denken ist ein aktiver Akt!), für das Ich und das Bewusstsein (weil Ich es bin, der sich bewusstwird, dass er ist), für die Existenz und für den menschlichen, freien Willen (jedes Ich gibt es nur in Verbindung mit einem eigenen, freien Willen, der auf etwas gerichtet ist).


Die Analogiekette des aktiven Prinzips lautet:

1 – Aktivität – Ich - Bewusstsein - Existenz - Wille

 

Die Bezeichnung


Der Magier, der Gaukler, Le Bateleur (Der Jongleuer), The Magician, The Juggler, Trickser. Manchmal wird der Magier mit Merlin verglichen, der Lehrer und ein weiser Mann mit magischen Fähigkeiten war.


Weiterführende Gedanken


Der Magier steht mit der Zahl 1 am Beginn und stellt folglich eine Person dar, die – im Gegensatz zum alten, weisen Merlin - noch keine Meisterschaft errungen hat. Allerdings gibt es durchaus eine Verbindung zu Merlin, wenn der Magier als Zauberlehrling aufgefasst wird, der seine Künste erst entwickeln, erproben und verfeinern muss. An dieser Stelle sei an Goethes Zauberlehrling erinnert: Der junge Lehrling möchte in Abwesenheit des Zaubermeisters endlich selbst einmal zaubern. Dabei überschätzt er seine Fähigkeiten, verliert die Kontrolle und richtet ein unheilbares Dilemma an. Erst der Meister kann bei seiner Rückkehr die Dinge wieder in Ordnung bringen.


Dieses Beispiel kann auch als Metapher herangezogen werden, wie der Mensch als Abbild Gottes seine Fähigkeiten überschätzt und ein unheilvolles Durcheinander auf Erden anrichtet. Erst das Einschreiten Gottes (im übertragenen Sinn), der Glaube an Vergebung, kann die angerichtete Blamage am Ende wieder Heil werden lassen.

So gesehen kann sich Gott von seinem Geschöpf, dem er Willensfreiheit verliehen hat, nicht einfach so abwenden. Selbst dann, wenn dieser Unheil anrichtet.


Beide Ebenen, oben und unten, unten und oben sind aneinander gebunden und korrelieren miteinander, sodass ein Weg gefunden wurde, um dieses Ungleichgewicht wieder auszugleichen. Im christlichen Kontext wäre das die Vergebung. Und warum könnte dem Menschen diese Möglichkeit eingeräumt worden sein? Weil Gott sonst sein Geschöpftes verlieren würde. Und das wäre undenkbar, denn in einer göttlichen Schöpfung geht nichts verloren – nicht einmal der schlechteste Mensch!


Das vorherige Beispiel kann man annehmen oder auch nicht. Ich vermute, es wird auf heftige Kritik stoßen und darum möchte ich noch ein anderes, vielleicht verträglicheres, Beispiel anführen. Denken wir an unsere Kinder. Sie werden immer unsere Kinder sein, genauso wie wir immer ihre Eltern sein werden. Dieser Umstand ändert sich auch dann nicht, wenn unsere Kinder etwas tun, das uns missfällt und umgekehrt. Wir bleiben ihre Eltern und sie unsere Kinder.


Es ließe sich der Gedanke noch weiter spinnen, als dass gute Eltern stets einen Weg bereit stellen, auf dem ihre Kinder – selbst, wenn sich diese noch so weit von ihren Eltern entfernt haben – wieder zurück zu ihnen finden. Und warum tun gute Eltern das? Weil nur so die Verbindung zwischen ihnen und den Kindern aufrecht erhalten werden kann.


Was aber hat all das mit unserem Magier zu tun? Einfach alles, was bisher dargelegt wurde. Bleiben wir bei der Methode der Analogie:

Obere Ebene

Untere Ebene

Verbindung

Zaubermeister

Zauberlehrling

Bügelt aus

Gott

Mensch

Schafft einen Weg zurück

Eltern

Kind

Hält den Weg offen

Dies sind drei analoge Beispiele, die allesamt eines gemeinsam haben: sie zeigen auf, wie die obere Ebene mit der unteren Ebene und die untere mit der oberen Ebene, wechselseitig und harmonisch interagiert.


Zum Begriff der Magie möchte ich Lilo Schwarz (2018) zitieren, die den magischen Vorgang wunderbar zusammengefasst hat: "Magie ist, etwas auf die Erde zu bringen, zu manifestieren, etwas aus der Idee in die Realisation zu zaubern.“ Immer dann, wenn wir eine Idee haben, ist diese für das Auge unsichtbar. Dennoch aber haben wir diese Idee im Kopf. Sie existiert bereits auf einer unsichtbaren, den Sinnen unzugänglichen Ebene.


Nehmen wir an, du hättest die Idee ein Baumhaus zu bauen. Niemand außer du selbst weiß von dieser Idee. Nun liegt es an dir, ob du diese Idee realisierst oder nicht. Du kannst, musst es aber nicht tun, denn es steht dir frei. Es könnte sein, dass du zwar ein Baumhaus bauen willst, es dann aber doch nicht tust. Und nehmen wir an, du willst es unbedingt bauen und besorgst dir alles, was dafür notwendig ist: Werkzeug und Pläne, vielleicht auch jemanden, der dir hilft usw. Und schließlich baust du das Baumhaus und du bist stolz darauf, weil du es aus eigener Kraft geschafft hast.


Immer dann, wenn wir eine unsichtbare Idee verwirklichen und sichtbar machen, sind wir im übertragenen Sinn der Magier! Wir zaubern etwas ins Dasein, dass es vorher nicht gab. 😊


Die Bildbeschreibung


"Wir sehen einen Mann, der in ein rot-weißes Gewand gekleidet, vor einem leuchtend gelben Himmel steht. Die rechte Hand, die einen weißen Stab trägt, hat er hoch erhoben, die linke weist zur Erde. Über seinem Kopf schwebt eine liegende Acht, um seine Stirn ist ein weißes Band geschlungen. Der Gürtel hat die Form einer Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt. Zu seinen Füßen wächst ein dichter, üppiger Blumengarten, der von einem massiven Holztisch überragt ist. Auf diesem Tisch befinden sich vier Gegenstände: ein Schwert, eine runde Scheibe, in der ein Fünfeck, das Pentagramm, eingezeichnet ist, ein Kelch und ein Stab. Vom oberen Bildrand hängen Girlanden von roten Rosen herunter." (Leuenberger, 1991, S. 60)


Die Pose und Handhaltung


Kaum zu übersehen ist die Art und Weise, wie sich die Gestalt auf dem Bild positioniert. Eine Hand zeigt nach oben, eine nach unten, nach dem hermetischen Prinzip des Hermes Trismegistos "wie oben, so unten".


Belinda Rodik (2001) führt dazu aus, dass der Magier in der rechten Hand, der bewussten Seite, einen Stab nach oben hielte, um die Ideen aus dem Reich der Phantasie zu holen. Seine andere Hand richte er zu Boden, um die Ideen zu manifestieren oder um sie auf den Boden der Tatsachen zu bringen.


Rachel Pollack (1985, S. 40 ff.) vergleicht die Pose des Magiers mit einem Blitzableiter. Während die nach oben gerichtete Hand die Macht empfänge, leite die nach unten gerichtete Hand die Energie weiter in die Realität. Der Mensch verspüre eine große Energie in sich, die sich immer mehr steigert und anschwillt und sich unbedingt entladen möchte. Ähnlich eines Phänomens, dass häufig bei Fußballspielen oder beim ersten Verliebtsein zu beobachten sei. Der Körper würde von einer Macht überwältigt, die zu stark für ihn sei. Es ginge dabei um eine Form von Lebensenergie, eine Art Erregung, einer sehr starken Energie, die unbedingt geerdet werden müsse, um nicht zu "explodieren". Dies könne beispielsweise durch Aktivität, schöpferische Tätigkeit oder künstlerische Betätigung erfolgen. Die Aufgabe des Menschen sei es, diese Energie durch sich hindurch fließen zu lassen und sie produktiv und zielgerichtet freizusetzen.


Paul Foster Case (2006, S. 48) führt aus, dass die rechte Hand des Magiers die Richtung andeute, aus der er seine Kraft bezieht bzw. die Richtung zeige, aus der er die Kraft herabzieht. Während der Stab, den er in die Höhe hält, ein phallisches Symbol darstelle. Dass die Enden des Stabs an beiden Enden eine gleiche Form aufweisen, sei ein Hinweis für das hermetische Axiom: "Das, was unten ist, ist gleich dem, was oben ist, und das, was oben ist, ist gleich dem, was unten ist - fähig, die Wunder des Einen auszuführen." Weiters sieht er in den beiden Enden des Stabs die Dualität aller magischen Handlungen: einerseits diejenigen, die das Leben zum Ausdruck haben und andererseits jene, die zum Tod führen. Der Zeigefinder der linken Hand des Magiers zeige nach unten und verweise auf eine weiter unten liegende Ebene bzw. sei dies ein Hinweis dafür, dass der Mensch imstande ist, seine Kräfte zu lenken und sie kontrolliert einzusetzen, wobei ihm dies nur mit Konzentration gelänge.


Die Farbsymbolik


Die Bedeutung der Farbe Gelb


Die vorherrschende Farbe im Bild des Magiers ist ein sattes Gelb. Es erinnert an das Licht der Sonne und symbolisiert nach Cooper (2004) den Intellekt, die Intuition, den Glauben und die Güte. Im christlichen Kontext bedeute Goldgelb Heiligkeit, Göttlichkeit und offenbarte Wahrheit. Die goldgelbe Farbe stünde für göttliche Macht, Erleuchtung, Unsterblichkeit und sei für Homer das Bindeglied zwischen Himmel und Erde. Case (2006) und Rodik (2001) ordnen die Farbe Gelb ausschließlich dem Element Luft zu und deuten es als Atem, Geist und Intellekt.


Die Bedeutung der Farbe Weiß


Cooper (2004, S. 75) erklärt, dass die Farbe Weiß im christlichen Kontext bei allen Sakramenten getragen wird: bei der Taufe, der Konfirmation, bei der Erstkommunion, bei der Vermählung und beim Tod. Es sei die Farbe von Heiligen, die kein Martyrium erlitten hätten und von jungfräulichen Heiligen. Im alten Rom wäre die Farbe Weiß sowohl bei freudigen Anlässen aber auch bei Trauer getragen worden. Grundsätzlich sei es die Farbe des Undifferenzierten, der Einfachheit, der Reinheit und Unschuld sowie der Keuschheit, der Gottesfurcht, der Heiligkeit und der Erlösung.


Anmerkung: Die Farbe Weiß kommt beim Magier viermal vor: das weiße Stirnband, der weiße Stab, den er in der rechten Hand hält, das weiße Untergewand und in den weißen Lilien.


Die Bedeutung der Farbe Rot


Die Farbe Rot bedeutet nach Cooper (2004, S. 73) das männliche, aktive Prinzip, Feuer, Sonne, Königswürde, Liebe, Freude, Festlichkeit, Leidenschaft, Glut, Energie, Wildheit, sexuelle Erregung, Gesundheit, Kraft, Blut, Blutschuld, Blutgier, Zorn, Rache, Märtyrertum, Stärke, Glauben, Edelmut.


Die Bedeutung der Farbe Schwarz


Das schwarze Haar des Magiers deutet Case (2006) als Zeichen der Unwissenheit.


Die Farben Rot mit Weiß und Schwarz stellen nach Cooper (2004, S. 73) die drei Stufen der Initiation dar.


Die weißen Lilien


Die Lilie ist nach Cooper (2004) Symbol für Reinheit, Frieden, Auferstehung und Königswürde. Im alchimistischen Sinn steht sie für das weibliche Prinzip, im christlichen Kontext für die Unschuld und Reinheit der Jungfrau Maria, im jüdischen Kontext steht sie für Gottvertrauen.


Das weiße Stirnband


Das weiße Stirnband des Magiers sieht Case (2006, S. 48) in Verbindung mit dem schwarzen Haar, dass er als Unwissenheit deutet, als ein Umschließen des Kopfbereichs, der für das Denken zuständig sei.


Weiterführende Gedanken


Inwiefern könnte das Denken des Menschen eine Begrenzung erfahren? Gibt es etwas, das wir nicht denken können? Gibt es das Undenkbare? Und angenommen, es gäbe etwas Undenkbares, existiert es denn dann überhaupt? Viele Fragen, wenige Antworten. Doch eines ist Gewiss: wir wissen wenig darüber, woher der Mensch kommt, wohin er geht und warum er hier ist. Unser Wissen über all das ist tatsächlich sehr begrenzt.


Rote Rosen und Rosengirlande


Rodik (2001) deutet die roten Rosen im Bild als Symbol für Fruchtbarkeit und göttliche Liebe. Bei Cooper (2004, S. 220f.) stehen sie für Begierde, Leidenschaft, Freude, Schönheit und Erfüllung, während die Rosengirlande himmlisches Entzücken andeute. Der Rosengarten an sich sei ein Symbol für das Paradies, ein Ort der mystischen Veränderung und der Vereinigung der Gegensätze.


Weiterführende Gedanken


Was haben Blumen wie Rosen und Lilien gemeinsam? Nun, es sind Blumen, keine Nutzpflanzen wie Getreide oder Obstbäume. Und es handelt sich auch um keine Wildpflanzen wie Löwenzahn oder Klee. Rosen und Lilien sind zwar von natürlichem Wuchs aber sie wurden von Menschenhand gezüchtet. Dies ist ein Hinweis darauf, dass der Mensch von seinen magischen Fähigkeiten Gebrauch gemacht hat, indem er in die natürlichen Gegebenheiten der Pflanze eingegriffen und eine kultivierte Pflanze geschaffen hat. Weil es sich hier um Blumen handelt, steht die Ästhetik (nicht der Nutzen) im Vordergrund: Der Mensch tat es aus Freude an der Sache.


Zusammengefasst ist der Magier in der Lage, etwas natürlich Gegebenes nach seinem Willen zu verändern. Dabei erfolgt der bewusste Eingriff als Verschönerung der Schöpfung. Das Gegenteil davon wäre ein Eingriff in die Schöpfung, der die Genetik so deformiert, dass sie lebensunfähig wird.


Die Bedeutung der Kleidung


Der Umhang oder Mantel hat nach Cooper (2004, S. 171) eine ambivalente Bedeutung. Einerseits symbolisiert er Würde und Stellung, andererseits aber auch Verkleidung, ein Sich-Zurückziehen und ein Unbekanntbleiben.


Case (2006, S. 49) bemerkt, dass das rote Obergewand auf Wünsche, Leidenschaft und Aktivität und auf die rote Farbe des Planeten Mars hindeute, welcher mit Tatkraft und Initiative in Verbindung gebracht werden würde. So würde auch die rote Robe nicht von einem Gürtel gehalten, sodass der Magier ganz nach Belieben diese an- oder ablegen kann, was wiederum ein Hinweis für die Möglichkeit der Wahl sei: aktiv zu werden oder sich der Aktivität zu enthalten.


Die Bedeutung der horizontalen Acht


Die Lemniskate oder horizontale Acht ist Zeichen der Unendlichkeit. Der Anonymus d’outre tombe (alias Valentin Tomberg) (1993) deutet sie vor allem aber als Rhythmus, Atmung und Zirkulation. Sie symbolisiere den ewigen Rhythmus oder die Ewigkeit des Rhythmus schlechthin.


Case (2006. S. 48) sieht in der horizontalen Acht über dem Kopf des Magiers ein Symbol des Heiligen Geistes, der die Herrschaft auf horizontaler Ebene, also in materiellen Angelegenheiten andeutet. Dies begründet er damit, dass die horizontale Linie eines der ältesten Symbole der Materie sei.


Die Bedeutung des Uroborus


Der Uroborus ist eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt. Der Magier trägt sie als Gürtel. Nach Cooper (2004, S. 294) stünde der Uroborus für die ungeminderte Kraft der Natur, für verborgene Macht und für die nicht geformte materia. Ursprünglich stamme das Symbol des Uroborus aus Westafrika und würde manchmal auch mit einem Drachenkopf dargestellt werden. Dass sich die Schlange in den eigenen Schwanz beißt bedeute, dass ihr Ende auch gleichzeitig ihr Anfang ist. Sie könne Tod in das Leben bringen aber auch Leben in den Tod. Indem sie sich zeugt, ehelicht, befruchtet und sich selbst tötet, verbraucht und erneuert sie ihre Kraft fortwährend. Dies zusammen würde einen ewigen und zyklischen Kreislauf bilden, der im Zusammenhang mit der Grabkunst, Unsterblichkeit, Ewigkeit und Weisheit darstellt.


Auch Case (2006) deutet den Uroborus-Gürtel des Magiers als Weisheit und Ewigkeit.


Cooper (2004) führt aus, dass sich zu gürten bedeute, sich für eine Tat zu rüsten oder sich für eine Mission oder Reise bereit zu machen. Die Lenden zu gürten, bedeute, seine Arbeit zu beginnen und der Gürtel an sich sei als einer der sechs Teile des eucharistischen Priestergewandes, auch Zeichen priesterlicher Keuschheit und geistlicher Wachsamkeit.


Der Tisch und seine Bedeutung


Über die Bedeutung des Tisches in der Rider Waite Smith Darstellung findet sich kaum etwas in der Literatur. Einzig bei Case (2006, S. 49) findet sich ein Eintrag darüber, dass der Tisch– wie es die moderne Psychologie nennen würde – das „Feld der Aufmerksamkeit“ repräsentiere. Das alte Wort für Tisch bzw. Tafel (im Englischen table) stünde in Beziehung zu den Vorgängen des Messens, Klassifizierens und Arrangierens, die bekanntlich auch in Form von Tabellen erfolgen können.


Weiterführende Gedanken


Ein Bild aus dem Buch Franc-maçonnerie et tarot von Marie Delclos (2016, S. 55) zeigt einen Architekten, der mit Winkelmaß und Zirkel auf einem Holztisch Berechnungen anstellt. Es regt zum weiteren Nachdenken an, als es sich im Bild des Magiers um einen einfachen Holztisch handelt, der auch als Arbeitstisch oder Werkbank interpretiert werden kann.


Wenn wir etwas auf den Tisch legen, legen wir etwas offen. Alles, was auf einem Tisch zu liegen kommt, ist für alle Welt sichtbar im Gegensatz zu dem, was unter den Tisch gekehrt wird. Was unter den Tisch gekehrt wird, soll verborgen oder sogar vergessen werden. Der Tisch steht meines Erachtens für reale, objektive und offensichtliche Fakten. Kurz: für Tatsachen. „Tatsachen“ – was für ein herrliches Wort! Im wahrsten Sinne befinden sich auf dem Tisch des Magiers Sachen, mit denen er zur Tat schreiten kann, wenn er das will.


Die 4 Werkzeuge


Die Bedeutung der vier Werkzeuge, die am Tisch des Magiers liegen, fasst Mary Steiner-Geringer (1985, S. 32) folgendermaßen zusammen:


  • Element Wasser (Kelch): das weibliche, formgebende und erhaltende Prinzip

  • Element Erde (Münze): Sinnbild der Materie, in welcher sich geistige Werte verkörpern, des Geldbesitzes, des äußeren Lebens, Handels und Verkehrs, auch des Volkes und der Geschlechtsstärke

  • Element Feuer (Stab):  Zeichen der Befehlsgewalt, des männlichen Prinzips, des Willens, der Tat, der Macht und Würde. Case (2006) bemerkt, dass der Wille mittels des Stabs auf sich aufmerksam mache.

  • Element Luft (Schwert): der Griff in Kreuzesform, die Vereinigung der Gegensätze. Bei Silvestre-Haeberle (1990) steht das Schwert für Intellektualität und dieses gäbe die Möglichkeit, Streitigkeiten ein Ende zu setzen.


Weiterführende Gedanken


Die vier Elemente (Feuer, Wasser, Erde, Luft) entsprechen den vier Werkzeugen (Stab, Kelch, Münze, Schwert) und diese finden wiederum in den vier Reihen der Kleinen Arkana. Auf die tiefere Bedeutung dieser Werkzeuge soll bei den Ausführungen der Kleinen Arkana eingegangen werden.


An dieser Stelle sei angemerkt, dass die vier Werkzeuge am Tisch geordnet und einsatzbereit daliegen. Der Magier kann sie ergreifen oder nicht, je nachdem, wie es ihm beliebt. Nehmen wir den Stab für das Wollen, den Kelch für das Fühlen, die Münze für die Tat und das Schwert für das Denken, so können wir dies in folgendem Satz zusammenfassen: Jeder Mensch will, fühlt, tut und denkt etwas. Darin unterscheiden wir uns nicht, denn es trifft auf alle Menschen zu. Worin wir uns aber unterscheiden, ist, wie und zu welchem Zweck wir diese „Werkzeuge“, die allen Menschen gegeben sind, anwenden.


Der Magier im Bild vermittelt den Eindruck, dass er seine Werkzeuge und deren Einsatzgebiete genau kennt. Das ist gar nicht so selbstverständlich, wie man auf den ersten Blick annehmen könnte. Denken wir an ein Kleinkind. Wie lange und wieviel Übung braucht es, bis ein Kind selbstständig und ohne zu kleckern aus einem Becher (Kelch) trinken kann? Auch der Umgang mit dem eigenen und dem fremden Willen (Stab) ist für ein Kind nicht einfach, wenn man dabei dessen Trotzphasen und Wutausbrüche im Blick hat. Des Weiteren muss ein Kind erst laufen, sprechen, lesen und schreiben lernen (Schwert). Und auch der Umgang mit der Abstraktion „Geld“ (Münze) ist nicht einfach zu verstehen. Geld ist genaugenommen ein wenig Metall oder ein kleines Stück Papier. Wir Menschen im Kollektiv haben uns auf dessen Wert „geeinigt“, sodass dieses Abstraktum im Alltag funktioniert. Für ein Kind bleibt es lange Zeit völlig unverständlich, mit wieviel persönlicher und kollektiver Anstrengung und Leistung Geld und materielle Werte verbunden sind.


All diese Beispiele seien nur deshalb in Erinnerung gerufen, als dass der Umgang mit den vier Werkzeugen erst erlernt, erfahren und eingeübt werden muss.


Der Buchstabe


Dem Magier wird in der Literatur überwiegend der hebräische Buchstabe Aleph zugewiesen. Eine Ausnahme bilden Case (2006) und Pollack (1985, S. 40). Sie teilen die Ansicht, dass der Buchstabe Aleph oder Alef zum Narren gehöre und der zweite hebräische Buchstabe Beth oder Bet zum Magier. Pollak begründet dies damit, dass Aleph keinen Klang und daher als stiller Träger von Vokalen das Nichts darstelle, während Beth einen eigenen Klang und daher der erste Buchstabe der Schöpfungsgeschichte sei.




 

Literaturverzeichnis


Banzhaf, H. (1998). Das Tarot-Handbuch. Goldmann.

Case, P. F. (2006). Tarot. Ein Schlüssel zur zeitlosen Weisheit. Pomaska-Brand.

Cooper, J. C. (2004). Das große Lexikon traditioneller Symbole. Goldmann.

Dahlke, R. & Klein, N. (2013). Das senkrechte Weltbild. Symbolisches Denken in

astrologischen Urprinzipien. (6. Aufl.). Allegria.

Der Anonymus d’outre tombe (Valentin Tomberg) (1993): Die Grossen Arcana des Tarot.

Meditationen (Band 1). Herder Basel. Mit einem Vorwort von Hans Urs von Balthasar.

Leuenberger, H-D. (1991). Schule des Tarot. Das Rad des Lebens. Ein praktischer Weg

durch die großen Arkana (8. Aufl.). Bauer.

Delclos, M. (2016). Franc-maçonnerie et tarot. Éditions Trajectoire.

Papus (Gérard A. V. Encausse) (1926). Die Grundlagen der okkulten Wissenschaft. Stein.

Prechtl, P. (2008). Bewusstsein. In P. Prechtl &  F.-P. Burkard (Hrsg.) Metzler Lexikon.

Philosophie. Begriffe und Definitionen (3. erw. Aufl.). Metzler.

Pollak, R. (1985). Tarot - 78 Stufen der Weisheit. Knaur.

Rodik, B. (2001). Der Tarotkurs für Einsteiger. Knaur.

Schwarz, L. (2018). Das große Tarot-Praxisbuch. Tarot entdecken. Mit Tarot mehr

erleben. Königsfurt-Urania.

Silvestre-Haeberle, C. (1990). TAROT. Spiegel des Schicksals. Handbuch zum Tarot de

Marseille (2. Aufl.). Urania.

Steiner-Geringer, M. (1985). Tarot als Selbsterfahrung. Diederichs.

36 Ansichten0 Kommentare

Komentáře


Newsletter

Du möchtest bei der nächsten Veröffentlichung eines Blogeintrags dabei sein? Trage dich in meinen Newsletter ein, dann bleibst du immer auf dem Laufenden! News kommen ca. 2x im Monat.

Ein Email ist gerade zu dir unterwegs. Bitte bestätige darin deine Anmeldung :-)

bottom of page